Auf dem eindrucksvollen Landgut, auf dem sich früher Minister und Militärs trafen, blättert nicht nur die Farbe ab; die Rosenbeete, durch die schwerbewaffnete Bodyguards robbten, wenn der Staatspräsident zu »Geschäftstreffen« kam, sind dem wilden Efeu gewichen, die Felder liegen brach; für alte, selbstherrlich regierende Großgrundbesitzer wie den »Herrn Doktor« hat die neue Zeit keine Verwendung mehr. Nur wer seine Besitzungen rücksichtslos zu Geld zu machen versteht, am besten zum Ferienparadies mit Golfanlage, wird im Clan der neuen alten Mächtigen überleben. João, der von der Haushälterin des Gutes zärtlich geliebte Sohn des »Herrn Doktor«, jedenfalls gehört nicht dazu. Er, der eine »Vogelscheuche« geheiratet hat und vom Schwiegervater dafür bezahlt wird, daß er nicht in dessen Bank auftaucht und mit dem Geld Monopoly spielt, bastelt lieber selbstvergessen an seinem allen nautischen Gesetzen spottenden Holzschiff. Leute wie er werden Trinker oder verrückt oder beides. António Lobo Antunes entfaltet sein grandioses barockes Universum, indem er das Landgut zum Welttheater macht: der »Herr Doktor« und sein Sohn João, die mit ihren Liebhabern ständig »Besorgungen« machende Mutter, die um die Gunst des Patrons buhlenden Hausangestellten, martialische Onkel, scharfe Tanten, rachsüchtige Militärs, Businessclowns, Inquisitoren und Melancholiker – sie alle haben ihre grotesken Verrücktheiten und wahren oder erfundenen Vergangenheiten, die sie unwiderruflich mit diesem Land verbinden. Und sie alle kämpfen um einen Fensterplatz an Bord des Schiffes, das Portugal in eine »mit Sicherheit bessere« Zukunft, in die Renditengewinne und die wunderbare Kapitalvermehrung bringen soll.
ISBN: 978-3-630-86967-4