Palladio ist wahrscheinlich der einfluBreichste aller westlichen Architekten. Trotz seiner Bekanntheit wird sein Werk haufig falsch interpretiert. Die palladianische Villa wird oft als isoliertes Objekt analysiert, kontextlos und einem neuplatonischen Ideal nachstrebend. Darliber hinaus werden Palladios Stadtbauten kaum in Zusam menhang mit den einfluBreicheren landlichen Villen gesehen. Deshalb werden haufig die seinen Werken zugrunde liegende Haltung zum Raum und die flir seine Bauten charakteristische ordnende Beziehung zur Umgebung vernachlassigt. Solche Ansich ten scheinen von einer spezifisch modernen Sensibilisierung herzurlihren. Der ‚Kult des Objekts‘, wie ihn das 20. Jahrhundert entwickelte, und der Hang zur Abstraktion haben unser Bild Palladios verdlistert. Die optische Evidenz, die Gebaude selbst wer den miBachtet. Rudolf Wittkower hat in seiner bekannten Studie liber die Prinzipien von Palladios Architektur unabsichtlich das Bild von der palladianischen Villa als eines freistehen 1 den Objekts befordert. Indem er die flir die Landwirtschaft vorgesehenen Flligelge baude yom Plan der Villen eliminiert und sich auf die proportionalen Beziehungen innerhalb des zentralen Wohnhauses konzentriert, schlieBt Wittkower, daB die Ent wicklung der palladianischen Villa in der Villa Rotonda kulminiere (Abb. 7, 8). Witt kowers eindringliche Analyse ignoriert nicht nur die Komplexitat der Villenkompo sition als ganzer, sie laBt auch Villen auBer Acht, die urn einen Hof herum gebaut sind und keinen zentralen Wohnteil besitzen. In der Folge haben verschiedene Gelehrte diese Beispiele als isoliert oder atypisch beschrieben und damit unterstellt, daB diese Gebaude nicht mit Palladios Gesamtwerk auf einer Linie liegen.
ISBN: 978-3-528-08724-1