Die Trachtenlandschaft in Vorarlberg ist so vielfältig wie das Land selbst, und so wie die Bewohner der Regionen und Talschaften gern auf ihre Eigenarten verweisen, so stolz tragen sie ihre jeweilige Tracht.Während Jahrhunderten diente diese den Menschen ebenso selbstverständlich als Sonn- und Feiertagsstaat, wie sie wochentags ihre Alltagskleidung trugen, und bis weit ins 19. Jahrhundert verfügte man jeweils über eine Garnitur, die oft ein Leben lang getragen wurde. Aber während sich die eine allmählich abnutzte, fadenscheinig wurde und im Lauf der Zeit mehr und mehr Flicken aufwies, blieb die andere über Jahrzehnte schön, wurde sorgsam aufbewahrt, gepflegt und von einer Generation an die nächste weitergegeben.Die geringe Mobilität und die Abgeschiedenheit alpiner Talschaften führten zu regionalen Besonderheiten, die –neben dem Dialekt –hauptsächlich in der Bekleidung Ausdruck fanden. Bemühungen der Nationalsozialisten das Trachtenwesen zu ideologisieren blieben langfristig erfolglos, aber auch Bestrebungen in den 1950er-Jahren, Tracht als zentrales Merkmal jugendlicher Bekleidungskultur zu etablieren, erwiesen sich als Wunschdenken. Zu stark war der Wunsch der Nachkriegsgeneration, der aufkeimenden und mehr und mehr auch erlaubten Individualität Ausdruck zu verleihen;ein Wunsch, dem seitens der Modeindustrie nur zu gerne Rechnung getragen wurde und wird.Dennoch ist es dem Trachtenwesen in Vorarlberg gelungen, in Trachtengruppen und Musikkapellen eine kulturelle Nische zu besetzen und aus ihr heraus in Erscheinung zu treten. Ihnen und der von ihnen gelebten Tradition verdanken wir, dass Trachten heute wieder wahrgenommen, akzeptiert, diskutiert und als bunte Facette einer pluralistischen Gesellschaft verstanden und weiterentwickelt werden.
ISBN: 978-3-903240-41-4